Ann Christin von Allwörden: Denkwürdige Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses wird ein Nachspiel haben.

15.01.2024

In der heutigen Sitzung des Untersuchungsausschusses ,NSU II/ Rechtsextremismus‘ waren zwei ehemalige Neonazi-Aktivisten geladen. Der erste Zeuge war nach eigenem Bekenntnis ,nah dran‘ am Terrortrio Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe. Liiert war er einige Zeit mit der Neonazi-Aktivistin Mandy S., deren Identität später von Beate Zschäpe genutzt wurde. Auch unterhielt er zum Ende der Neunziger Jahre mehrere Freundschaften in das ,NSU‘-Umfeld. 1998 wohnten die drei Neonazi-Terroristen sogar in der Wohnung des Zeugen zur Untermiete. Ein Jahr zuvor hatte die Terrorgruppe mehrere Briefbombenattrappen an Jenaer Institutionen verschickt. Eine dieser Bomben enthielt auch sprengstofffähiges TNT. Der Zeuge hat nach seiner Aussage davon Kenntnis gehabt, die drei hätten ,ein bisschen Scheiße gebaut‘. Der Zeuge selbst überließ seinen Personalausweis Uwe Mundlos, damit dieser sich unter Vorlage des Personalausweises einen Reisepass besorgen konnte. Nach über neunzig Minuten der Vernehmung verstieg sich der Zeuge gleichwohl zu der These, er sei nie wirklich Mitglied der Neonazi-Szene gewesen.

Dazu erklärt die Obfrau der CDU-Fraktion im NSU-Untersuchungsausschuss: „Der PUA hat die Aufgabe, die Aktivitäten des NSU in Mecklenburg-Vorpommern und mögliche Unterstützungsnetzwerke sowie die Arbeit der Sicherheitsbehörden zu beleuchten. Als ich den Zeugen fragte, ob er nach der Selbstenttarnung des NSU 2011 Angst gehabt hätte, dass dies auch für ihn Konsequenzen haben könnte, schwieg er lange, bis er dies bejahte. Daraufhin konfrontierte ich ihn mit meiner Einschätzung, dass ich ihn für einen Unterstützer des NSU halte. Entweder war der Zeuge damals unglaublich naiv und er ist es bis heute, oder es hat andere Gründe, warum er keine Auskunft zu geben bereit war. Zu Bezügen des NSU nach Mecklenburg-Vorpommern war er nicht auskunftsfähig.

Noch bemerkenswert war die Vernehmung des zweiten Zeugen: Als Mit-Autor der Neonazi-Publikation ,Der Weisse Wolf‘ hätte er dem Ausschuss Auskunft über die Unterstützer und Verbindungen der Publikation geben sollen. Er begann seine Vernehmung mit einem Statement, dass nicht nur Mord, sondern auch Anstiftung und Beihilfe hierzu nicht verjähren. Auf Grundlage dessen berief er sich auf sein Auskunftsverweigerungsrecht und in Bezug auf mehrere Angehörige auch auf sein Zeugnisverweigerungsrecht.

Der Zeuge hätte auf alle ihm gestellten Fragen antworten können, ohne sich der Gefahr der Strafverfolgung auszusetzen. Dass er sich stattdessen verhielt, als könne er sich aussuchen, welche Fragen er beantwortet, fand ich höchst irritierend. Zumal er anwaltlich vertreten war. Der Ausschuss wird nun zeitnah entscheiden, ob infolge der Weigerungshaltung gegen den Zeugen gerichtliche Zwangsmittel beantragt werden. Dies kann für den Zeugen ein Ordnungsgeld bis zu 10.000 Euro oder sogar Erzwingungshaft bedeuten. Unter dem Eindruck der heutigen Sitzung sage ich ganz klar, dass ich bereit bin, diesen Schritt zugehen. Diese Sitzung wird ein Nachspiel haben.

Abschließend stellt sich nach der heutigen Sitzung aber erneut eine grundlegende Frage: Wenn dieser Untersuchungsausschuss schon Personen verhört, die jahrelang in der Neonazi-Szene aktiv waren, weshalb sträubt sich die Ausschussmehrheit dann weiterhin dagegen, Beate Zschäpe zu vernehmen?“